Lebens(Leidens-)geschichten
Die Erlebnisse unserer Kinder handeln von Armut, Gewalt und Drogen. Es sind Geschichten, wie sie tausendfach jeden Tag in Brasilien passieren. Leider ist dies die harte Realität in Brasilien. Wir können diese nicht ändern. Aber einigen Kindern können wir durch unsere Nazareno-Dörfer, Familienbegleitungen und Berufsausbildungszentren eine bessere Zukunft ermöglichen. Brasilien ist für wenige der Himmel, aber für ganz viele arme Leute die Hölle auf Erden. Für uns ist es schon ein Erfolg, wenn später jemand als Hilfsarbeiter arbeitet und sein eigenes Leben bestreitet, dies sind unsere kleinen Erfolgsgeschichten die wir mit Ihrer Hilfe ermöglichen können.
Lassen wir vier Jungen erzählen: |
Marcelo„Ich möchte ehrlich sein. Ich mag meine Mutter nicht. Ich will sie nie mehr in meinem Leben sehen. Als ich noch sehr klein war, hat sie mich in einen Pappkarton getan und mich in der Nähe einer Wasseraufbereitungsanlage ausgesetzt. Wie, weiss ich auch nicht, aber meine Oma hat mich gefunden und mich bei sich aufgenommen. Als ich 5 Jahre alt war, wollte mich meine Mutter wieder zurückhaben. Doch meine Oma ist vor Gericht gegangen, denn sie wollte, dass ich bei ihr bleibe. Meine Oma hat dann vom Gericht das Sorgerecht für mich bekommen. Meinen Vater habe ich nie kennengelernt. Ab und zu kam meine Mutter, um Streit mit meiner Oma zu suchen. Ich habe das nicht mehr ausgehalten und bin dann von zu Hause abgehauen. Es war eine weite Reise, da ich von Juazeiro komme (ungefähr 300 km von Fortaleza entfernt). Ich lebte sehr lange Zeit auf der Straße in Fortaleza. Auf der Straße hat es mir nicht gefallen. Ich habe immer Hunger gehabt und wurde auch verprügelt. Gott sei Dank, bin ich dann vom „Kleinen Nazareno“ aufgenommen worden. Ich wüsste nicht, was sonst aus mir geworden wäre.“
Breno„Ich habe mich nie wohl zu Hause gefühlt. Das liegt wohl daran, dass es keinen Zusammenhalt in meiner Familie gibt. Jeder kümmert sich nur um sich selbst. Weil ich immer Hunger hatte, bin ich zur Straße gegangen. Dort schlief ich einfach auf dem Boden, wenn ich keine Pappe gefunden hatte. Auf der Straße habe ich nicht so viel gehungert, wie bei mir zu Hause. Drogen wollte ich nicht nehmen. Nur rauchte ich Zigaretten. Meine Freunde auf der Straße klauten und wollten mich zwingen, Schusterleim zu schnüffeln. Ich wollte aber nicht. Ab und zu habe ich meinen Bruder, Roberson, auf der Straße getroffen. Der lebte schon länger da und ist jetzt 14 Jahre alt."
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Petro"Meine Eltern habe ich nie richtig gekannt. Ich weiß, dass ich eine Großmutter habe, aber ich glaube, dass ich sie nicht mehr wiedererkennen würde. Außerdem weiß ich nicht einmal, wo sie genau in Caninde wohnt. Ich erinnere mich, dass ich zu Hause von meinen Eltern geschlagen wurde. Ich weinte sehr, als ich sah, dass mein Vater auch meine Mutter schlug; dies war sehr schlimm für mich. Deshalb bin ich schon sehr früh zur Strasse gegangen. Auf der Straße hielt ich mich immer an den Busterminals auf. Ich ging meistens zum Terminal "Siqueira“, wo ich die Passanten um Geld und Essen anbettelte. Einmal, als mir eine Frau einen Real gegeben hatte, wollte ich mir ein Eis kaufen. Aber ein anderer Junge kam und wollte mein Geld haben. Ich wollte es ihm nicht geben und deshalb schlug er mich auf mein Auge und konnte so mein Geld stehlen. Auf der Straße lernte ich einen Sozialarbeiter kennen, der mich über meine Eltern und mein eigentliches Zuhause ausfragte. Er erzählte mir viel vom Sítio (Kinderdorf) des OPN und bot mir an, ebenfalls dort wohnen zu können. Ich nahm dieses Angebot an, da ich keine andere Wohnmöglichkeit hatte und nicht auf der Straße bleiben wollte."
EdsonIch lebte mit meiner Familie in einer kleinen Hütte in Fortaleza, bevor sich mein Vater und meine Mutter getrennt haben. Er lebt nun in Genibaú, in der Nähe von Fortaleza. Ich bin zur Strasse gegangen, weil ich nicht mehr zu Hause bleiben wollte. Tagsüber war ich oft am Busbahnhof „Siqueira“, habe gebettelt und mir von dem Geld Essen und Klebstoff gekauft. Dort gab es viele Jungs, die Drogen konsumierten und immer wenn sie mich gesehen haben, haben sie mir welche angeboten. Ich habe nie Haschisch geraucht, obwohl ich süchtig war nach Klebstoff. Manchmal habe ich auch das erbettelte meiner Mutter gegeben. Aber immer wenn ich nach Hause gekommen bin, hat sie nicht mit mir gesprochen. Einmal wollten meine Freunde von der Strasse und ich das Handy einer Frau klauen, aber das hat nicht funktioniert, weil in diesem Moment die Polizei kam. Eines Tages, als ich gerade an der Strandpromenade war, habe ich einen Sozialarbeiter vom OPN getroffen, der mir Bilder vom Nazareno-Dorf zeigte und mich gefragt hat, ob ich dort leben möchte. Da ich auf den Bildern sah, dass es in dem Dorf sehr schön war, sagte ich „ja“.
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